Neubau eines Designstudios für die Staatliche Berufsfachschule und Fachschule für Produktdesign 1

Neubau eines Designstudios für die Staatliche Berufsfachschule und Fachschule für Produktdesign Selb

"Gutes Design ist so wenig Design wie möglich."

Dieser Devise von Dieter Rams folgt der Entwurf des Designstudios in Selb konsequent. Der Neubau ist vollständig auf Flexibilität und Multifunktionalität ausgerichtet und bekennt sich zu einer Form von Rationalität und Pragmatismus von der auch Industriegebäude geprägt sind. Klare Geometrie und Reduktion der Materialwahl sind die Mittel einer Gestaltung, die sich einerseits bewusst in den historischen Kontext der gewichenen Porzellanfabrik stellt, andererseits dieses Erbe abstrahiert und sublimiert. Dabei erfüllt die einfache Bauweise die sich wandelnden Anforderungen der Zukunft durch mühelose Transformation, Adaptierbarkeit und Reversibilität.

Städtebau

Der langgestreckte Baukörper teilt das zur Verfügung stehende Grundstück längs in zwei unterschiedliche Freiräume - den Parkplatz mit Anlieferungen im Norden und den Garten im Süden. Der Haupteingang an der Schmalseite des Neubaus orientiert sich nach Westen und schafft am Hutschenreutherplatz - dem einzigen Zugang zum Grundstück - eine eindeutige Adresse. Zwei Innenhöfe schaffen zusätzliche geschützte Freiräume innerhalb des Studiogebäudes. Die Erweiterung wird als Bestandteil des Gesamtprojektes aufgefasst. Daher wird sie als Verlängerung des Designstudios formuliert und nutzt als zweigeschossiger Baukörper die abfallende Topografie im Osten.

Freianlagen

Die Freianlagen des Designstudios gliedern sich in verschiedenen Funktionsbändern: Das Designstudio selbst bildet mit dem Vorplatz und den Höfen A und B das Erschließungsband. Der Vorplatz passt sich mit einer flachen, auslaufenden Treppenanlage in das bestehende Relief ein. Leicht erhöht liegende grüne Inseln dienen als Treffpunkt und gliedern die Fläche. Im westlichen Teil des Gebäudes liegt der ruhige Hof A. Das Element der grünen Inseln vom Vorplatz wird an dieser Stelle wieder aufgegriffen. Der Hof B wird über eine große Freitreppe mit Sitzstufen erschlossen und durch grüne Bereiche unterteilt und erhält so eine besondere Aufenthaltsqualität. Unter dem auskragenden Dach des EG schließt der Hof hin zum Erweiterungsbau an. Die Überdachung bietet ideale Bedingungen für den Außenbereich der Mensa sowie die Radstellplätze im Freien. Die Anlieferung des Designstudios erfolgt über die Nordseite des Gebäudes. Die Wendefläche für die Lieferfahrzeuge dient gleichzeitig als großzügige Fläche zur Betrachtung der Modelle im Tageslicht. Die Anlieferung des Erweiterungsbaus erfolgt an der Ostseite über den neuen Parkplatz und die bestehende Feuerwehrzufahrt. Südlich des Designstudios erstreckt sich der großzügige Garten. Ein geschwungener barrierefreier Weg verbindet den Vorplatz mit Hof B und der Terrasse vor der Materialbibliothek. Der Garten selbst gliedert sich in verschiedene Bereiche: die sonnige Liegewiese, den schattigen Baumhain, die gemütlichen Sitzstufen sowie die grünen Schmuckpflanzungen am Gebäude. Die smarten Sitzelemente (Ausstattung mit Strom, WLAN) in den Kreuzungsbereichen des Gartenweges können zum Lernen und zur Lehre im Freien genutzt werden. Nördlich des neuen Gebäudes liegt das funktionale Band. Hier sind alle notwendigen 100 + 50 PKW-Stellplätze sowie der Müllstandort und die Fläche für die Absetzmulde angeordnet. Die drei behindertengerechten Stellplätze befinden sich in nächster Nähe des Haupteinganges. Der Parkplatz fügt sich in die gegebene Höhensituation ein und schließt im Osten an die bestehende Feuerwehrzufahrt an.

Innere Gliederung

Um den internen Transport von Werkstücken zu erleichtern, wird im Studiogebäude auf Treppen, Rampen und Niveausprünge verzichtet. Alle gemeinschaftlichen Nutzungen und die gesamte Infrastruktur sind zentral gelegen: Eingang, Lichthöfe, Pausenfläche mit Versorgung, sanitäre Anlagen, Lager, Verwaltung bis hin zum Anschluss an die spätere Erweiterung. Damit stehen die Längsseiten vollständig für die Studios und Werkstätten zur Verfügung. Deren vorgeschlagene Anordnung erfüllt alle an Belichtung, Sonneneinstrahlung, Zugänglichkeit und Zusammengehörigkeit etc. gestellten Anforderungen. So grenzen beispielsweise die Studiobereiche 1 bis 3 und die Frästechnik an der Nordseite aneinander, haben dort viel natürliches Licht, jedoch keine direkte Sonneneinstrahlung. Gemeinsam mit der Pausenfläche kann dieser Bereich für Versammlungen und Ausstellungen zusammengelegt werden, gerne auch unter Einbeziehung des Hofes A. Der Studiobereich 6 verfügt an der Südseite über viel unbeeinflusstes Tageslicht (direkte Sonneneinstrahlung), jedoch auch über Verschattungsmöglichkeit - usw. Die vorgeschlagene räumliche Organisation ist jedoch nicht für alle Zeit festgelegt, sondern jederzeit veränderbar und reversibel. Um diese hohe Flexibilität zu erreichen wird das gesamte Gebäude mit einer einheitlichen Höhe geplant, die sich an der Maximalanforderung von 5 m lichter Raumhöhe orientiert. Der dadurch vermeintlich entstehende Mehraufwand wird durch den Verzicht auf komplizierte Übergänge und aufwendige Anschlussdetails gänzlich kompensiert.Darüber hinaus sind die Zwischenwände als raumhohe, reversible Wandelemente mit geringem Aufwand versetzbar und können an die im Achsabstand von 2,00 m angeordneten Binder angeschlossen werden. Die Räume für Lehrpersonal und CAD bestehen aus eingestellten Boxen, die bedarfsweise auch als Empore einen Überblick über das jeweilige Studio bieten. Die Binder liegen au Fassadenstützen, an die unterschiedliche Fassadenmodule direkt montiert werden können. Standardmäßig ist die Fassade großflächig verglast. Außenliegender Sonnenschutz wird durch innenliegende Rollos wahlweise für Blendschutz, Blickschutz und/oder Verdunklung ergänzt.

Material und Farbe

Alle zum Einsatz kommenden Materialien weisen einen hohen Grad an Umweltverträglichkeit auf (Cradle to Cradle, Recycling, CO2-Speicherung) und tragen durch ihre haptischen Qualitäten und ihre "Echtheit" zur Akzeptanz und zur Identitätsbildung bei. Eine unbunte Farbgebung ist in Anbetracht der Aufgabe des Gebäudes selbstverständlich. Unter anderem wird darauf geachtet, dass auch Holzoberflächen farblich neutral erscheinen und daher weiß lasiert werden. Die Fassaden erhalten eine möglichst spektral neutrale Verglasung. Fußböden werden mit einem mittelgrauen Industrieestrich ausgeführt. Zebralicht sorgt in den Studiobereichen für adäquate Ausleuchtung.

Energie und Technik

Das Energiekonzept berücksichtigt die Versorgungssituation vor Ort und den Anspruch an nachhaltiges Bauen. Dem wird insbesondere Rechnung getragen durch: - Geothermie und Photovoltaik, - Regenentwässerung mit verzögertem Ablauf über Rückstau in extensiv begrünten Dachflächen in naturnahe Mulden-Rigolen-Versickerungs-Systeme, - Reduzierung des Heizwärmebedarfs durch Windfang, kompakte thermische Hülle entsprechend Passivhausstandard und Wärmeleistungsspeicherung in Pufferspeicher, - Begrenzung der sommerlichen Wärmelast durch effiziente natürliche Belüftung und Nachtauskühlung, - effiziente Belüftung und blendfreie Belichtung durch energetisch optimierte Anordnung motorisch betriebener Fensteröffnungen mit außenliegendem Sonnenschutz mit Lichtlenkelementen und über Oberlichter/Sheds, - optional zertifizierter Passivhausstandard bei Raumlufttechnik für das gesamte Gebäude. Geothermie und Industrie-Fußbodenheizung (Bauteilaktivierung) sorgen nicht nur für eine effiziente Beheizung sondern erlauben auch eine sommerliche Kühlung des Neubaus. Die Versorgung mit weiteren Medien (Elt., Daten, Lüftung/Absaugung) erfolgt aus den Technikräumen über Vertikalschächte, Ringtrasse oberhalb der Erschließung, Stichverbindung feldweise in die Zwischenräume der Binder und von dort über die Decke zu den Verbrauchern. Die Technikräume und Fahrradstellplätze sind im östlichen Sockelbereich untergebracht und von außen zu erreichen.
Auslober:in
Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge, vertreten durch Herrn Landrat Peter Berek
Wettbewerbsart
Nichtoffener Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil
Bearbeitungszeit
2020
Würdigung
Anerkennung
In Zusammenarbeit
Scheidt Kasprusch Architekten